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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 29.06.2003


Wo sind die Rillen auf der CD?
Kirsten Eisenberg

Nach dem Nena-Revival setzt auch "Verschwende Deine Jugend" auf das Comeback des Jahrzehnts mit dem schlechtesten Klamottengeschmacks aller Zeiten




Nach 1975 Geborenen wird der Titel dieses Films womöglich nichts sagen. Andere, die ihre Jugend im Deutschland der 80er verlebten und rLeggings, Nietengürtel oder weiße Sockenr spazieren trugen, wissen sofort, dass es sich hier um einen Songtitel der Band DAF (Deutsch-Amerikanische- Freundschaft) handelt, die mit Gruppen wie den Fehlfarben, Ideal und Palais Schaumburg die Neue Deutsche Weller auslöste.

München, 1981. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Harry (Tom Schilling), ein schmächtiger, 19 jähriger Sparkassenauszubildender. Harrys wahre Leidenschaft verrät ein DAF-Sticker auf seinem Revers: er lebt für die Musik und für sein Dasein als Manager der grandiosen Münchner Band "Apollo Schwabing". Dass die Gruppe so grandios ist, wissen außer Harry bisher leider nur die Bandmitglieder und Freunde Vince (Robert Stadlober), Melitta (Jessica Schwarz) und Freddie (Marlon Kittel).

Als ein Auftritt mit Stromausfall und einem Verriss in der angesagten Musikzeitschrift "Sounds" endet und die Band Harry mangelndes Engagement vorwirft, will der schmale Jüngling mit den größenwahnsinnigen Ideen es sich selbst und allen anderen zeigen. Er setzt aufs Ganze und organisiert ohne Rücksicht auf persönliche Verluste ein DAF-Konzert im Circus Krone mit "Apollo Schwabing" als Vorgruppe. Um das kühne Vorhaben zu realisieren, verschachert Harry sogar seine Plattensammlung, riskiert obendrein die Zuneigung der süßen Lena (Nadja Bobyleva) und seinen Job. Doch es gibt wichtigere Probleme: Auch als die Plakate schon hängen, haben DAF noch keinen blassen Schimmer von ihrem Münchner Auftritt, obendrein gerät Vince in eine Schaffenskrise und ein Eifersuchtsdrama um Vince, Melitta, Harry und Lena nimmt seinen Lauf...

Mithilfe von rund 1000 Komparsen, authentischen Outfits und Designs (Eiche rustikal lässt grüßen) beamt Regisseur Benjamin Quabeck das Publikum in die frühen 80er. Originelle Details verstärken den Effekt: so fragt sich Harry beim Anblick des Prototyps einer CD, wo da jetzt die Rillen sind.
Schon mit seinem preisgekrönten Abschlussfilm an der Filmakademie "Nichts bereuen" machte Quabeck sich einen Namen. An den frühen 80ern und ihrer Musik faszinierte ihn vor allem die fehlende Scheu davor, sich lächerlich zu machen. Da er in der Hochphase der NDW gerade erst 5 Jahre alt war, betrieb er anhand von Fernsehdokumenten oder alten Sounds- und Musikexpress-Ausgaben eingehende Recherchen.

Tom Schilling und Robert Stadlober schlossen schon während der Dreharbeiten zum gemeinsamen Film "Crazy" Freundschaft. Tom Schilling sagt nach dem Dreh, dass er sich für ein Leben in den Achtzigern entscheiden würde. Ihn beeindruckt die damalige Jugendkultur und deren Ideologien. Dem stimmt Jessica Schwarz (bekannt aus VIVA und "Nichts bereuen") zu, sie ist allerdings auch froh, dass trotz des Retrotrends manche Dinge wie z.B. fette Schulterpolster nicht zurückgekommen sind.

Neben den Darstellern spielt natürlich die NDW-Musik eine Hauptrolle. Lee Buddha (er komponierte bereits die Filmmusik zu "Nichts bereuen") recherchierte in den Platten von damals und kreierte die fiktive Band "Apollo Schwabing" samt 5 Songs, die von den SchauspielerInnen gespielt und gesungen werden.

"Verschwende Deine Jugend" ist ein mitreißender, origineller Film über Jugend, Liebe, Freundschaft und Musik. Wenn Sie das Gefühl fröhlicher Beschwingtheit nach Verlassen des Kinos noch ein Weilchen länger am Leben erhalten wollen: Ab dem 30.06. 2003 gibt es den Soundtrack zu kaufen.
Mehr über die Jugendkultur der 80er kann in Jürgen Teipels Sachbuch "Verschwende Deine Jugend" nachgelesen werden.



Verschwende Deine Jugend
Regie: Benjamin Quabeck
Mit: Tom Schilling, Robert Stadtlober, Jessica Schwarz, Marlon Kittel u.a.
Musik: Lee Buddah
Deutschland, 2003
Verleih: Constantin Film
Kinostart: 03. Juli 2003


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Beitrag vom 29.06.2003

AVIVA-Redaktion